26.08.2019

„Politik treibt oder bremst Innovationen.“

Roto: Umfeld prägt Fenster der Zukunft / Diskussionsbeitrag von Volker Fitschen / Geschäftsleiter Zentraleuropa plädiert für Differenzierung und Umdenken / Technik nicht im Fokus / Einschätzung für D/A/CH-Region / Wichtige externe Einflussfaktoren / Menschen bleiben bei Gelerntem

Leinfelden-Echterdingen - (rp) Diskussionen über das oder die Fenster der Zukunft identifizieren oft die Technik als entscheidenden Motor. Genau das ist sie nicht. Für die Fensterwelt und damit das Branchengeschäft von morgen viel wichtiger sind andere, von außen wirkende Faktoren. Politik, Recht, Umwelt und Kultur etwa beeinflussen die Entwicklung nachhaltig und stärker als die reine Technologie. Diese unverzichtbare Umfeldanalyse führt daher schnell zu der Erkenntnis, dass es „das“ Fenster der Zukunft nicht gibt. So jedenfalls lautet die Prognose des Beschlagproduzenten Roto. Für ihn beschäftigt sich Volker Fitschen mit den Perspektiven in der D/A/CH-Region, denn der Geschäftsleiter Zentraleuropa verantwortet den Vertrieb der Division Fenster- und Türtechnologie in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Seine Zukunftseinschätzung macht aber zunächst deutlich, dass es „voreiligen Abgesängen auf Vertrautes und Bewährtes schlicht an Substanz fehlt“.

So habe die Möglichkeit, Fenster zu öffnen, für die Menschen nicht zuletzt unter kommunikativen Aspekten weiter einen hohen Stellenwert. Ihre Ablösung durch fest verglaste, luft- und schalldichte und mit automatischen Klima-/Lüftungsanlagen kombinierte Fenster sei deshalb kein allein tragfähiges Zukunftsmodell. Zudem ist Fitschen davon überzeugt, dass das eigentliche Funktionsprinzip von Fenstern auch in 20 Jahren noch dem heute gültigen entspricht. Überhaupt erteilt er der Annahme, dass Fenster in Zukunft per se revolutionär sein müssen, eine klare Absage: „Bei einer Haltbarkeit von rund 30 Jahren werden Fenster nur in langen Zeitintervallen ausgetauscht. Da fällt die Entscheidung in der Regel für Bekanntes und Gewohntes. So sind die meisten Menschen mit der Öffnungsart ‚Drehkipp‘ – und damit außerdem mit den dafür entwickelten Beschlägen – groß geworden. Gerade deshalb setzen sie bei der Renovierung sowieso, aber auch beim Neubau auf diese Technik – weil sie bewährt und gelernt ist. Und: Weil sie sich, wie etwa unser neues Beschlagprogramm ‚Roto NX‘ z. B. durch das Sicherheitsnovum ‚TiltSafe‘ beweist, permanent verbessert. Fensterbenutzer wählen weiter Vertrautes; das kann natürlich gerne eleganter, komfortabler, ästhetischer, transparenter, sicherer und vernetzter als bisher sein.“

High End-Kreationen versus Massenmarkt

Wie sehr der Erfolg oder Misserfolg technologischer Fortschritte von politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen abhänge, habe sich bereits in der Vergangenheit eindrucksvoll gezeigt. Fitschen erläutert das an einem konkreten Beispiel: „Erst die politisch motivierte Energiekrise in den 1970er-Jahren machte doppelt verglaste Isolierfenster marktfähig, obwohl der Amerikaner T. D. Stetson die entsprechende Technik schon 1865 entwickelte und patentieren ließ. Letztlich trugen und tragen also Gesetze bzw. staatliche Förderprogramme wie in Deutschland gegenwärtig die KfW-Anreize für wirksamen Einbruchschutz weit effektiver zur Verbreitung von intelligenten Fenstern bei als technischer Erfindergeist.“ Jedenfalls müsse man registrieren, dass Politik Innovationen treibt – oder bremst.

Im Übrigen sei bei aller Faszination hochtechnischer, automatisierter bzw. digitalisierter Fenster, die sich etwa als Fernseher oder Tablet nutzen ließen, nicht zu übersehen, dass solche High End-Lösungen aktuell nur für eine „verschwindend kleine Zielgruppe“ infrage kämen. Der für die Branche relevante Massenmarkt habe damit nichts zu tun. Er werde stattdessen u. a. verstärkt von dem akuten und sich weiter verschärfenden Wohnungsmangel speziell in Ballungsgebieten geprägt. Um den Bedarf zu decken, müssten allein in Deutschland jährlich 400.000 Einheiten neu entstehen. Hier gehe es um bezahlbare Fenstersortimente in langfristig guter technischer und optischer Qualität. Eine Grundlage dafür sind laut Fitschen immer ausgefeiltere Produktionsverfahren. Seine Prognose: „Um die Wohnungsnot zu beseitigen, treffen wir im Neubau in 10 Jahren überwiegend Kunststofffenster mit Drehkipp-Beschlägen an.“

Klimawandel erfordert Lösungen

Natürlich spiele die Digitalisierung in Zukunft eine deutlich größere Rolle. Das gelte nicht nur für die Fensterfertigung, sondern auch für alle Abläufe von der Auftragsbearbeitung bis zum Vertrieb. Das Thema „Fensterverkauf via Internet“ werde an Relevanz gewinnen.

Und wie wirkt sich das gegenwärtige Top-Thema – der Klimawandel – auf die Fenster-Zukunft aus? In puncto „Energieeffizienz“ erwartet der Geschäftsleiter Zentraleuropa keine Quantensprünge mehr, denn hier verfüge die Branche bereits über ein Portfolio mit sehr guten Leistungswerten. Große Herausforderungen gebe es dagegen beim Schutz vor extremen Witterungsbedingungen wie Starkregen, Hagel, Stürmen oder gar Tornados, die infolge der erheblichen Klimaveränderungen auch in Deutschland, Österreich und der Schweiz immer häufiger auftreten und schwere Schäden verursachen.

Für Fitschen heißt das: „Fensterkonstruktionen und ihre Komponenten müssen enorme Kräfte abfangen, die etwa aus Orkanböen und Unwettern resultieren. Daher liegt die große Aufgabe darin, künftig auch in unseren Breitengraden Dichtigkeit und Stabilität dauerhaft zu gewährleisten. In Teilen der USA und Kanadas sind schon Fenster mit dem Siegel ‚Hurricane proof‘ auf dem Markt. Den dadurch verbrieften technischen Fortschritt haben übrigens entsprechende Gesetze und Normen initiiert – ein weiterer Beweis für die wachsende Relevanz politisch bedingter Vorschriften. Spezielle Fensterbeschläge für den Hochwasserschutz und das Schiebesystem ‚Patio Inowa‘ dokumentieren, dass Roto bereits jetzt kompetente Problemlösungen anbietet.“

In der Fensterwelt von morgen sind also Differenzierung und Umdenken angesagt. Der Beschlagexperte formuliert es resümierend so: „Das Fenster hat Zukunft – in seinem jeweiligen Land und in seinem jeweiligen Kundensegment.“

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