23.11.2021

Keine Alternative zur Digitalisierung

Mittelstand und Digitalisierung: Nachholbedarf und kein Ende? / Lebhafte Podiumsdiskussion beim Roto-Fachpressetag / Kein „Nice to have“, sondern ein „Must have“ / Pandemie als Beschleuniger / Häufig Kultur- und Mentalitätswandel nötig / Menschen mitnehmen / Digitalisierungskette darf nicht reißen / Cybersecurity: Brisanz wächst täglich / Auch oder gerade kleine Betriebe betroffen / Politik Teil des Problems oder Teil der Lösung?

Keine Alternative zur Digitalisierung

Leinfelden-Echterdingen - Für den Mittelstand ist Digitalisierung kein „Nice to have“, sondern ein „Must have“ – und das völlig unabhängig von der Firmengröße. Digitalisierung entscheidet über die Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens sowie letztlich darüber, ob es am Markt dauerhaft bestehen kann oder eben nicht. Zu diesem deutlichen Votum kam Mitte November eine im Rahmen des 16. Internationalen Roto-Fachpressetages durchgeführte Podiumsdiskussion. Wie der Veranstalter meldet, war sich die aus unterschiedlichen Bereichen zusammengesetzte Runde in Düsseldorf auch bei einem weiteren zentralen Kriterium einig: Digitalisierung muss alle und alles erfassen. Es geht um konsequente Vernetzung z. B. mit Kunden und Lieferanten.

In der 90-minütigen Diskussion wurden Antworten auf die Kernfrage „Mittelstand und Digitalisierung – Nachholbedarf und kein Ende?“ sowie auf eine Reihe damit verbundener Einzelfragen gesucht. Dabei sorgte mit Anja Müller die „Handelsblatt“-Korrespondentin Familienunternehmen für den Blick über den Tellerrand der Bau- und Immobilienwirtschaft. Zu deren Vertreterinnen und Vertretern gehörten Sylvia Pruß (Inhaberin Pruß Hausverwaltung e.K., Strausberg und Berlin, sowie Vizepräsidentin des VDIV Verband der Immobilienverwalter Deutschland), Marlen Schlosser (Geschäftsführerin Schlosser Holzbau GmbH aus dem baden-württembergischen Jagstzell), Christian Klinger (Miteigentümer und Unternehmenssprecher Internorm International GmbH, zugeschaltet aus Traun/Österreich) sowie Dr. Eckhard Keill (Vorstand der Roto Frank Holding AG). Agenturinhaber Frank Linnig moderierte den lebhaften Digitalisierungs-Talk.

Integrieren statt verordnen

Einen Nachholbedarf in der Immobilienbranche sah Sylvia Pruß nicht. Corona habe hier zweifellos als Beschleuniger gewirkt. Das gelte sowohl für die einzelnen Unternehmen als auch für den Dachverband der Immobilienverwalter. Heute sei man aktiv, um die große Herausforderung Digitalisierung zu bewältigen. Dass es dazu keine Alternative gibt, war in der Runde ebenso unstrittig wie die Überzeugung, es mit einem langwierigen und permanenten Prozess zu tun zu haben.

An dessen Anfang muss nach Meinung von Anja Müller häufig ein Kultur- und Mentalitätswandel im Unternehmen stehen. Digitalisierung lasse sich nicht verordnen, sondern könne nur dann erfolgreich sein, wenn man die Menschen integriere und sie auf dem schwierigen Veränderungsweg begleite. Das unterstrich auch Eckhard Keill. Sein Credo: „Die Digitalisierungskette darf an keiner Stelle reißen“. Deshalb sei Roto schon früh der Verpflichtung nachgekommen, die Mitarbeitenden auf der einen und die Kunden auf der anderen Seite einzubinden. Marlen Schlosser wies aber zugleich auf die Verantwortung der Beschäftigten hin, sich selbst für die moderne Arbeitswelt zu öffnen.

Christian Klinger zog in der Hinsicht ein positives Zwischenfazit. Angst und Verweigerung sind nach seiner Erfahrung nach der Pandemie kein Thema mehr. Auf die Frage des Moderators, ob die Bereitschaft zur Digitalisierung ein Generationenthema sei, war das Meinungsbild uneinheitlich. Zwar gebe es tendenziell eine etwas größere Aufgeschlossenheit der Jüngeren, aber auch ältere Menschen stellten sich konstruktiv den neuen Anforderungen.

Wichtige Sensibilisierung

Ausführlich widmete sich der Kreis dem Komplex „Cybersecurity“. Die durch die entsprechenden kriminellen Attacken verursachten Schäden steigen rasant und betrugen laut einer Studie des Digitalverbandes Bitkom 2020 allein in Deutschland über 220 Mrd. Euro. Unterschätzt gerade der Mittelstand die Gefahren von Hackerangriffen, Datenklau & Co. grandios? Jedenfalls bezeichnete es Anja Müller als „Trugschluss“, zu glauben, dass es nur die Großen treffe. Speziell kleine Betriebe müssten sich z. B. einmal fragen, was eine Woche ohne PC-Zugang koste. Die Sensibilisierung für das Cybercrime-Problem, dessen Brisanz von Tag zu Tag wachse, sei enorm wichtig. Außerdem kritisierte die „Handelsblatt“-Korrespondentin, dass in Deutschland eine zentrale Einrichtung fehle, an die man sich bei einem Angriff wenden und schnelle Hilfe erhalten könne.

Eckhard Keill forderte in dem Zusammenhang eine bundesweite Präventionsstelle. Der Roto-Chef räumte ein, dass auch das internationale Netzwerk des Bauzulieferers bereits im Fokus krimineller Aktivitäten gestanden habe. Da man diese Bedrohung gar nicht ernst genug nehmen könne, investiere die Gruppe hohe Summen in die digitale Sicherheit. Sylvia Pruß und Christian Klinger berichteten ebenfalls über einschlägige Negativ-Erfahrungen. Der Internorm-Miteigentümer: „Man muss über die Dinge offen sprechen“.

Gemeinsamer Klartext

Und was soll die Politik in Sachen „Digitalisierung“ tun oder lassen? Sylvia Pruß und Eckhard Keill plädierten dafür, die Gesetzgebung der aktuellen Situation und der Zeit anzupassen. Beispiele dafür seien die (inzwischen mögliche) virtuelle Durchführung von Eigentümerversammlungen und eine wirksame Cyberabwehr. Generell ist der Roto-Vorstand jedoch skeptisch: Die Politik könne nicht wirklich mit der Digitalisierung umgehen. So mangele es nach wie vor an der dringend gebotenen digitalen Qualifizierung in Schulen. Marlen Schlosser wünschte sich allgemein bessere Voraussetzungen. Das beginne schon bei dem oft unverändert schlechten Internet-Status in ländlichen Regionen.

Abschließend hoben alle Diskussions-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer nochmals die Bedeutung einer konsequenten Digitalisierung hervor. Das klare gemeinsame Resümee: Firmen, die die damit verbundenen Chancen und Möglichkeiten systematisch nutzen, sind (auch) künftig erfolgreich. Diejenigen, die das nicht tun, würden dagegen früher oder später vom Markt verschwinden. Die junge Geschäftsführerin von Schlosser Holzbau brachte es vor rund 75 anwesenden bzw. zugeschalteten Fachjournalistinnen und -journalisten aus 15 Ländern kämpferisch auf den Punkt: „Das Thema ist so spannend, dass man sich einfach darauf einlassen muss.“

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