28.09.2018

In der Steiermark gut aufgehoben

Von Drahtstiften zur Fenster- und Türtechnologie / Roto-Standort Kalsdorf feiert Jubiläum / Bewegte 150 Jahre / Tradition trifft Fortschritt / Moderne Produktion an historischer Stätte / Für Roto-Gruppe „außerordentlich wichtig“ / Von Österreich in die Welt

Kalsdorf – (rp) „Wie effizient sich Tradition mit Fortschritt verbinden lässt, wird in Kalsdorf ebenso schnell wie eindrucksvoll erlebbar.“ Mit diesen Worten schlug Alois Lechner Ende September 2018 eine Brücke von der langen und ereignisreichen Historie des österreichischen Roto-Standortes zu dessen heutiger Bedeutung für den weltweit operierenden Fenster- und Türtechnologie-Spezialisten. Für seine Aussage hatte der Geschäftsführer der Roto Frank Austria GmbH einen besonderen Grund: Seit 150 Jahren sind die Qualitätsprodukte aus der Steiermark im vielfältigen Praxiseinsatz. Rund 700 Gäste u. a. aus Politik, Verwaltung, Gesellschaft und Wirtschaft waren der Einladung des Hausherrn zum Jubiläum gefolgt. Dazu gehörten auch Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer, Landesrat Anton Lang und Vizebürgermeister Manfred Komeritzky.

Das geschichtsträchtige Firmengelände weist laut Lechner „zum Teil durchaus ungewöhnliche Rahmenbedingungen“ auf. So sei die Tatsache, dass auf dem insgesamt 111.500 qm großen Areal ein Seitenarm des Flusses Mur verlaufe, nicht gerade typisch für ein modernes Werk im 21. Jahrhundert. Gleiches treffe auf die historisch gewachsene Gebäudestruktur und -anordnung zu.


Abschwung und Aufschwung

In seinem Rückblick auf die „wechselvolle Geschichte“ hob Lechner einige prägende Stationen hervor. Als „Geburtsjahr“ gilt danach 1868, als Adolf Finze in Knittelfeld eine Drahtstiftefabrik zur Herstellung von Schrauben und Nieten gründete. Nach Kalsdorf siedelte das Unternehmen 1893 um. Nachdem die Fabrik 1913 sogar einen eigenen Anschluss an die k. k. Südbahn erhielt, kam es 1918 zu einem Besitzerwechsel: Durch den Erwerb der Finze AG durch die Brüder Lapp AG hieß die Firma Lapp Finze AG. 1924 meldete die Unternehmenschronik „700 Arbeiter, 50 Beamte, 4 Ingenieure und 1 Direktor“ und damit das höchste Beschäftigungsniveau überhaupt. Acht Jahre später sank es als Konsequenz einer schweren Auftragskrise drastisch auf nur noch 88 Arbeiter.

Bereits 1943 konnte nach der Re-Montage der Maschinen in Kalsdorf wieder produziert werden. Der anschließende Aufschwung schlug sich 1953 in der Herstellung von 10.000 Tonnen Kleineisen nieder. Schon damals spielte der Export eine beachtliche Rolle: 25 % der Produktionsmenge dienten zur Ausfuhr in 26 Staaten. 1968 und damit exakt zum 100-jährigen Bestehen wurde die große regionale Bedeutung des Betriebes gewissermaßen „amtlich“ bestätigt: Im offiziellen Wappen der Gemeinde Kalsdorf wiesen 3 Nägel speziell auf die „Lapp-Finze Eisenwarenfabriken AG“ hin.

Investitionsfreude und Spezialitäten

Das Roto-Engagement in Österreich begann, erklärte Lechner, 1979 mit dem Erwerb von 51 % des Aktienkapitals durch die deutsche Wilhelm Frank GmbH aus Leinfelden-Echterdingen bei Stuttgart. Zwei Jahre später folgte die komplette Übernahme. Sie leitete eine bis heute andauernde Phase „permanenter Modernisierungs- und Erweiterungsinvestitionen“ ein, die sich u. a. auf alle Produktionsbereiche erstreckten. Weitere wichtige Stationen: Zertifizierung nach ISO 9001:2000 (2002), Umwandlung der Roto Frank Eisenwarenfabrik AG in die Roto Frank Austria GmbH (2006) und Umsetzung des international gültigen Roto-Produktionssystems (2008).

Wie Lechner ergänzend betonte, sind heuer auf ca. 28.700 qm überwiegend automatisiert der eigene Werkzeugbau, die Stanzerei, die Galvanik, die Pulverbeschichtung, der Zinkdruckguss, der Kunststoffspritzguss, eine Vor- und Sonderfertigung für Einzelteile, die Montage, die Läger für Halberzeugnisse und Fertigwaren sowie schließlich der Versand untergebracht. Dank dieser „lückenlosen Kapazitäten“ und effizienter Prozessabläufe könne man bedarfsgerecht Kleinst- und Großserien gleichermaßen produzieren.

Aufgrund der speziellen lokalen Gegebenheiten verfüge der Standort im Übrigen über drei eigene kleine Wasserkraftwerke, die etwa 25 % der jährlich benötigten Stromenergie von ca. 12 Mio. kWh selbst erzeugten. Auch bei weiteren Energie- und Umweltthemen sehe sich Roto in einer guten Position. Beispiele dafür seien die komplette Umstellung auf energieeffiziente LED-Beleuchtung, moderne Abwasser- und Abluftanlagen sowie ein Kesselhaus für die Wärmeversorgung. Die aktive Mitwirkung an einem aktuellen Pilot-Projekt zur Wasser-, Chemikalien- und Energieeinsparung in der Galvanik unterstreiche zudem die Offenheit für „neue Ideen und Wege“.

Sortimentskompetenz und Ausbildungsoffensive

Das in Kalsdorf gefertigte Produktprogramm bezeichnete Lechner schlicht als „umfassend“. Im Einzelnen nannte er: Beschläge für Drehkipp-/Dreh-/Kippfenster, mechanische und elektronische Mehrfachverriegelungssysteme für Eingangstüren, Haustürbänder für unterschiedliche Anwendungsbereiche, Fensterladen-Komfortbeschläge, elektronisches Zubehör für Fenster und Türen, Komponenten aus Zink und Kunststoff sowie Stanzteile. Damit würden hauptsächlich weitere Gesellschaften der Roto-Gruppe beliefert. Zum Kundenkreis gehörten aber auch Abnehmer aus anderen Branchen.

Von den gegenwärtig rund 370 Mitarbeitern sind 10 % Auszubildende, teilte der Geschäftsführer außerdem mit. Das dokumentiere den erklärten Willen, dem auch in Österreich ausgeprägten Fachkräftemangel selbst zu begegnen. Die Ausbildung in sieben Lehrberufen bringe ferner die große Technologievielfalt des Standortes zum Ausdruck. „Das systematische Nachwuchs-Engagement ist die logische Konsequenz aus unserem eigenen hohen Qualitätsanspruch und dem unserer Marktpartner“, betonte Lechner abschließend.

Würdigung und Zusage

Die Jubiläums-Glückwünsche der gesamten Roto-Gruppe, die 2017 mit ca. 4.900 Mitarbeitern einen Umsatz von knapp 634 Mio. Euro erzielt habe, übermittelte der Vorstandsvorsitzende Dr. Eckhard Keill. Kalsdorf und die dort tätigen Menschen seien für den internationalen Bauzulieferer „außerordentlich wichtig“. In der Steiermark befinde sich nicht nur das Entwicklungs- und Kompetenzzentrum für die Sortimentsgruppen „Fentro“ und „Door“, sondern zudem die Produktionsstätte mit der größten Fertigungstiefe im weltweiten Werksverbund.

Deshalb werde man den Standort wie bisher auch künftig stärken und fördern. Die neue, mit einem Investitionsvolumen von fast 2,5 Mio. Euro errichtete Pulverbeschichtungsanlage mache das exemplarisch deutlich. Sie ging 2018 und damit „pünktlich zum Jubiläum“ in Betrieb. „Roto fühlt sich in Kalsdorf wohl und gut aufgehoben“, resümierte Keill.

Zugleich nutzte er die Gelegenheit für eine Würdigung von Alois Lechner, der seine Tätigkeit zum Jahreswechsel nach 45-jähriger Firmenzugehörigkeit aus Atersgründen beendet. Er sei im Juli 1973 als damals 20-jähriger junger Mann in das Werk eingetreten und habe sich die ersten Sporen in der Buchhaltung verdient. In der Folge kamen immer neue Aufgaben dazu, bis er schließlich 2006 die Geschäftsführung übernahm. Keill dankte Lechner für seine „unvergesslichen Leistungen“ und nannte ihn den „berühmten Fels in der Kalsdorfer Brandung“.

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